Poka Yoke
Was ist Poka Yoke?
In der Montage ein Bauteil vergessen oder falsch montiert? In der Endprüfung einen Produktfehler übersehen? Poka Yoke hilft, Fehler zu vermeiden.
Was erfahren Sie in diesem Beitrag? – Inhalte
Menschen machen Fehler vs. Menschen können Fehler machen
Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Trotz Sorgfalt und guter Ausbildung passiert es selbst den besten, aufmerksamsten Mitarbeitern immer mal wieder. Schaut man sich Unternehmenskennzahlen an, so passieren offensichtlich bei einigen Unternehmen (innerhalb einer Branche) offensichtlich weniger Fehler (z.B. an den Ausschuss- oder Nacharbeitszahlen gemessen).
Arbeiten deshalb dort die besseren Mitarbeiter? Sicherlich hat Toyota innerhalb des TPS ein exzellentes Ausbildungssystem für Mitarbeiter (weiterentwickelt aus TWI Training within industry ).
Einen weiteren Punkt sollte man dabei ebenso beachten: Die Mentalität und die Fehlerkultur im Unternehmen, d.h. die Einstellung zu Fehlern und der Umgang damit.
Null-Fehler-Ziel
Null-Fehler ist das Ziel im Lean Management. Auch wenn Toyota niemals dieses Null-Fehler-Ziel vollständig und perfekt erreichen wird, versucht Toyota durch entsprechende, vorbeugende Massnahmen, Produkt- und Prozessgestaltung und präventive Organisation die Fehleranfälligkeit und Fehlerhäufigkeit signifikant reduzieren.
Wie dies systematisch geht? Sie können es lernen! Die Poka Yoke Strategien liefern Antworten darauf.
Poka Yoke und Lean Management
Poka Yoke ist ein Kernelement der Null-Fehler-Strategie im Lean Management und bezeichnet die verwechslungssichere, „idiotensichere“ Konstruktion und Gestaltung von Produkten, Prozessen und Werkzeugen. Shigeo Shingo führte „Poka Yoke“ – sinngemäß auf Deutsch „den unbeabsichtigen Fehler vermeiden“ – als festen Bestandteil im Toyota-Produktionssystems (TPS) ein.
Lean Development ohne Poka Yoke ist schwierig vorstellbar. Denn Poka Yoke dient dazu, präventiv, aber auch reaktiv, jegliche Art von Fehlern durch menschlichen Einfluss z.B. durch Fehlbedienung oder Fertigungs-, Montage- und Messfehler zu vermeiden.
Beratung und operative Unterstützung in Produktentwicklung und Prozessplanung
Poka Yoke Arten – Regeln, Prinzipien & Strategien
3 grundlegende Konstruktions- und Gestaltungsregeln beschreiben im Wesentlichen Poka Yoke:
- Robuste, verwechslungsichere Konstruktion
–> „Es geht nicht anders!“
- Messung und Kontrollen zur Erkennung von Abweichung
–> „Erkenne frühzeitig die Abweichung!“
- Korrektur und Regulierung
–> „Korrigiere frühzeitig und vermeide dauerhaft die Abweichung!“
Poka Yoke Regel Nr. 1 – robuste, verwechslungsichere Konstruktion
Eine robuste, verwechslungssichere Konstruktion ist der erste Schritt auf dem Weg zum Null-Fehler-Ziel. Funktionsintegration, perfekte Symmetrie oder eindeutige, offensichtliche Asymmetrie sind Beispiele für wichtige Konstruktionsmerkmale bei Poka Yoke. Eine Kombination von visuellen, akustischen und haptischen Merkmalen – gleichzeitig für eine Funktion – sichert oft die korrekte Fertigung, Montage, Bedienung oder Nutzung. Bei wichtigen, z.B. sicherheitsrelevanten Funktionen wird konstruktiv häufig von „UND“-Verknüpfungen Gebrauch gemacht um Fehler oder Fehlbedienungen zu vermeiden.
Poka Yoke Regel Nr. 2 – unmittelbare Rückmeldung und Kontrollen zur Erkennung von Abweichung
Wenn schon Fehler, Fehlmontagen oder Fehlbedienungen nicht sicher ausgeschlossen werden können (vgl. Regel 1), so ist es wichtig für das Erreichen des Null-Fehler-Ziels ist, dass diese Fehler, Fehlmontagen oder Abweichungen so früh wie möglich festgestellt werden.
Poka Yoke Regel Nr. 3 – Korrektur und Regulierung
Werden Fehler oder Abweichungen erkannt, ist es wichtig, dass
- sofort Korrekturmaßnahmen ergriffen werden
- diese Massnahmen schnell Wirkung zeigen
- die Wirksamkeit überprüft und nachverfolgt wird
- dass langfristig wirksame Produkte und Prozessverbesserungen implementiert werden, damit der Fehler nicht erneut auftritt.
Zielrichtung ist zum einen, das fehlerhafte Produkt oder Bauteil nicht an den Folgeprozessschritt weiterzugeben – d.h. reparieren oder ausschleusen- und zum zweiten den fehlerhaften Prozess entsprechend zu verbessern bzw. zu stabilisieren. Ist dies nicht sofort möglich, kann dies in manchen Lean-Fabriken dazu führen, dass ganze Fertigungsbereiche gestoppt werden.
Die generelle Poka Yoke Strategie
Vermeiden, Vermeiden, Vermeiden …. und Vermeiden ist immer besser als späteres Prüfen und Korrigieren.
Man kann diese grundlegende Poka Yoke Strategie gar nicht oft genug ansprechen. Die „beste erste“ Frage muss immer sein: „Können wir das … nicht sein/ weg lassen? „
Poka Yoke Beispiele für Prüfungen:
Dies kann z.B. durch Werkerselbstprüfungen, durch Plausibilitätsprüfungen, Zwangsführungen, Positionier-, Lage- und Farb-Codierungen, Selbstblockaden der Folgeschritte bei Fehlern, optischer, gewichts- oder IT-unterstützter Ist-Soll-Vergleich verbauter Teile etc. erfolgen.
Selbstverständlich sind inline-Mess- und Prüfsysteme ebenfalls denkbar.
FTR – die Kennzahl für ein funktionierendes Poka Yoke
First Time Right (FTR) ist die passende Prozesskennzahl / KPI. Diese Kennzahl beschreibt, wieviele bzw. welcher Anteil der erzeugten Produkte „im ersten Anlauf“ die (End-) Kontrolle bestanden hat.
Eine alternative Bezeichnung ist „FPY“ = First Pass Yield. Die komplementäre Größe ist der „Anteil Nacharbeit“, wobei hier häufig eine mehrfache Nacharbeit nicht erfasst wird ebenso wenig die sofort als Ausschuss und nicht mehr nacharbeitsfähigen, verschrotteten Teile.
Poka Yoke – typische Fehler & Anwendungsfelder
Logistik-Fehler
- ein falsches Teil oder die falsche Anzahl von Teilen geliefert
Fertigungsfehler
- Ein Fertigungsschritt nicht oder nicht vorschriftsgemäß durchgeführt
Montagefehler
- ein falsches Teil montiert, ein Teil vergessen, falsch oder verdreht montiert
Einrichter-Fehler
- Falsches Werkzeug gerüstet, falscher Parametersatz gewählt
Bedienerfehler
- falschen Prozess gestartet, falsche Parameter ausgewählt, Arbeitsschritt nicht nach Arbeitsanweisung ausgeführt
Organisationsfehler
- falsche /unvollständige Arbeitsanweisung bereitgestellt, nicht ausreichend qualifizierte Mitarbeiter eingeteilt
Messfehler
- Messsystem generell nicht tauglich / keine MSA / Messprozess nicht stabil, Handhabungsfehler, nicht überwacht / kalibriert.
Poka Yoke Beispiele
Produktgestaltung
Eine Fehlervermeidung sollte konstruktiv berücksichtigt werden. Die folgenden Gestaltungsrichtlinien ähneln denen aus DFMA und ebenso TRIZ – Was nicht überrascht, denn sie sind alle vor einem ähnlichen Erfahrungshintergrund entstanden.
- Verwendung von Gleichteile
- Verwendung vollkommen symmetrischer oder eindeutig, unverwechselbar asymmetrischer Bauteile
- Einfache, schnelle und eindeutige Unterscheidung von Bauteilen
- Eindeutige Identifikation durch gut erkennbare, selbstsprechende Kennzeichnung der Teile
- Intergration von Selbstprüfung oder Fehlteilanzeige
Prozessgestaltung
- Bereitstellung nur der erforderlichen Teile in der erforderlichen Montage-Reihenfolge in Bauteilträgern
- Eindeutige, schnelle Fehleranzeige z.B. verbleibendes Teil in Bauteilträger
- Selbstblockade und integrierte Prüfung um Fehlerweitergabe zu verhindern
Prozessüberwachung & SPC
- „Golden Samples“, Einstellmuster und Referenzbauteile werden verwendet als schnelle Einstellhilfen für Anlagen und Werkzeuge ähnlich wie Lehren oder zur Überprüfung der Anlagenparameter im Zuge von SPC-Kontrollen.
ACHTUNG: Diese Einstellmuster und Referenzbauteile müssen im Prüfmittelmanagement überwacht werden!
Vorteile und Nachteile
Der Grundgedanke präventiv und frühzeitig Produkte und Prozesse abzusichern, hat zahlreiche, messbare Vorteile:
- Kostenvorteile durch verringerten Aussschuß
- reduzierte Qualitätskosten durch verringerte Nacharbeit
- reduzierte Durchlaufzeit weil Fehler früher und schneller erkannt werden
Poka Yoke und DFMA – ein kleiner Unterschied
Im Gegensatz zu DFMA (Design For Manufacturing und Assembly), mit dem Poka Yoke die Zielsetzung und den Grundgedanken der Fehlervermeidung gemeinsam hat, bietet Poka Yoke weniger „handfeste“ Gestaltungsrichtlinien für den Konstrukteur und Prozessplaner, sondern lebt stärker von Beispielen und dem Erfahrungswissen der Beteiligten.
Nichtsdestotrotz hat Shingeo Shingo einige sehr klare Handlungsanweisungen dazu erstellt.
Poka Yoke Schulung
Poka Yoke praxisnah und pragmatisch kennenlernen können Sie in unserer Poka Yoke Schulung. Wir verwenden sehr gern Ihre Themen aus Ihrem Unternehmen in den Übungen. Die Schulung hat damit doppelten Effekt: Üben und Lösungsansätze erzeugen. Hier geht es zu Poka Yoke Schulung
weitere Poka Yoke Beispiele aus dem Alltag
- asymmetrische Stecker ( englische 3-polige Netzstecker, Kaltgeräte-Stecker, TAE, RJ45) vs. totale Symmetrie (USB-C, 220V- Stecker)
- Und-Verknüpfung Bremse-Starter bzw. Gangwähler-Bremse bei PKW
- Zwei-Hand-Bedienung von Freigabe-Knöpfen bei Pressen
- Pick by Light + Plausibilisierung des Lieferscheins über Barcode + Lagerplatz
- Farb-Codierung zueinander gehöriger Bauteile „gleiche Farbe = Bauteile einer Baugruppe“
- geometrische Codierung Tankrüssel Diesel – Benzin
- asymmetrische SIM-Karte mit „Ecke ab“
- 2-fach Sicherheits-Ident-Prüfung (Banken, Handy-Kauf, doppelte Passwort-Eingabe bei blockierter Copy-Funktion)
- kombinierte Drehmoment- / Drehwinkel-/ Zeitüberwachung bei Verschraubungen
Beratung zu Poka Yoke und Lean Management
Wir beraten Sie zu Poka Yoke und fertigungsgerechter Produkt- und Prozessgestaltung. Wir helfen Ihnen, Ihre Produktivität zu steigern, Ihre Prozesse zu stabilisieren und Ausschuss und Nacharbeit zu eliminieren. Wir freuen uns auf Ihre Anfrage.
Hier ist Ihr Kontakt zu uns.