Wareneingangskontrolle


Die Wareneingangskontrolle ist u.a. aus gesetzlichen Gründen ein Standardprozess in vielen Unternehmen. Aus Kostengründen wird meist auf eine umfangreiche Qualitätskontrolle im Wareneingang verzichtet und die Prüfung auf eine Stichprobe mit weniger Merkmale beschränkt, weil Verantwortung und Haftung im Fall einer Qualitätsabweichung vom Lieferanten getragen werden.

Vereinfachte Wareneingangskontrolle – 2 wichtige Fragen

  • Ist die Übertragung der Haftung auf den Lieferanten für eine ordnungsgemäße Lieferung ohne Wareneingangskontrolle mit geltendem Recht vereinbar?
  • Wie verläßlich sind die Prüfergebnisse einer Wareneingangsprüfung?

gesetzliche Vorgaben zur Wareneingangskontrolle

Im Handelsgesetzbuch (HGB) ist gesetzlich geregelt, dass ein Käufer erkennbare Mängel im Wareneingang unverzüglich rügen muss. Dies erfordert zwingend, die Ware bei Erhalt im Wareneingang einer Kontrolle zu unterziehen. Im Falle eines erkennbaren Mangels muss der Käufer dies dem Lieferanten unverzüglich anzeigen.

Bei verdeckten, im Wareneingang nicht erkennbaren Mängeln muss die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung erfolgen. Erfolgt keine Anzeige, gilt die Warenanlieferung als akzeptiert (!)

Wareneingangsprüfung in der Praxis – Minimumumfang

Bei vielen Produkten und Waren lassen sich die relevanten, technischen Merkmale nicht durch eine Wareneingangsprüfung überprüfen, dies ist häufig erst in der Fertigung oder Montage oder Endprüfung möglich. Die Wareneingangskontrolle beschränkt sich deshalb meist auf

  • Identität
  • Anzahl
  • Sichtkontrolle offensichtlich erkennbare Mängel / Transportschäden
  • Übereinstimmung der Transportpapiere

Auf andere, verdeckte Mängel muss deshalb in den Folgeprozessen im Unternehmen durch eine geeignete Qualitätssicherung geprüft werden. Wichtig ist deshalb, dass in der vertraglichen Liefervereinbarung eine belastbare, vollständige Spezifikation und ein Prüfplan beeinhaltet ist.

Warenausgangskontrolle ersetzt Wareneingangskontrolle

Weil sich viele Merkmale einer verläßlichen Prüfung im Wareneingang entziehen, ist häufig eine vertragliche Regelung mit dem Lieferanten sinnvoll, so dass dessen Qualitäts- und Warenausgangsprüfungen die eigenen Merkmalsprüfungen im Wareneingang ersetzen. Die in der  Liefervereinbarung spezifizierten Prüfergebnisse werden sinnvollerweise vom Lieferanten in Form eines Prüfzertifikats (Werksprüfzeugnis, Certificate of Analysis CoA ) vorab oder mit Ware und Frachtpapieren bereitgestellt.

 Stichproben und Stichprobenumfang in der Wareneingangskontrolle

Bei vielen Produkten erfolgt aus Kapazitäts- und Kostengründen lediglich eine Stichprobenprüfung z.B. in Form von visuellen Beurteilungen oder auch von Merkmalsmessungen. Dies gilt ebenso für die statistische Prozesskontrolle SPC. An dieser Stelle stellt sich die Frage nach einer sinnvollen Stichprobengröße in Abhängigkeit von den Akzeptanzkriterien (AQL) sowie der Verläßlichkeit der Prüfergebnisse.

Hilfestellung bei  der Festlegung der Stichprobengröße und AQL-Niveau gibt z.B. DIN ISO 3951 oder DIN ISO 2859.

Werden im Wareneingang Produktmerkmale geprüft (d.h. nicht nur Identität und Stückzahl) ist eine wichtige Voraussetzung der Wareneingangsprüfung eine zuvor bestandene Messsystemanalyse MSA. Dies trifft ebenso auf  attributive Produktmerkmale zu.

Schulung zu Messsystemanalyse MSA und attributive Prüfung

Bei der Beurteilung der Verläßlichkeit der Prüfergebnisse ist ein differenzierte Betrachtung unter Beachtung des (erwarteten) Fehleranteils in der Lieferung sowie der Sensitivität und Spezifität des Prüfverfahrens sinnvoll.

Sensitivität und Spezifität von Prüfverfahren

Die Sensitivität  (in %) oder „Richtig-Positiv-Rate“ eines Prüfverfahrens bezeichnet den Anteil an  fehlerhaften „schlechten“ Teilen, die korrekt als „fehlerhaft / schlecht“ erkannt werden. D.h. eine Sensitivität von 80% bedeutet, dass von 5 fehlerhaften Teilen 4 Teil als schlecht erkannt werden und 1 Teil fälschlicherweise als gut ausgewiesen wird, entsprechend einer Falsch-Negativ-Rate von 20%.

Die Spezifität (in %) oder „Richtig-Negativ-Rate“  eines Prüfverfahrens bezeichnet den Anteil an  spezifikationskonformen „guten“ Teilen, die korrekt „spezifikationskonform / gut“ erkannt werden. D.h. bei einer Spezifität von 98% werden von 100 guten Teilen 98 Teile als gut erkannt und 2 gute Teile fälschlicherweise als schlecht ausgewiesen.. Dies entspricht einer Falsch-Positiv-Rate von 2%.

Qualitätskontrolle Wareneingang – Prüfergebnis abhängig vom Fehleranteil

Wie verläßlich sind die Prüfergebnisse einer Qualitätskontrolle im Wareneingang und wie vergleichbar sind sie?

Die Anwendung der Kennzahlen von Spezifität und Sensitivität in der Qualitätskontrolle ist etwas komplexer, weil in der Regel mehr oder durchmischte Lose geprüft werden. D.h. es liegen in einer Probe gute und schlechte Teile vor und gleichzeitig ändern sich die jeweiligen Anteile von Lieferung zu Lieferung. Dies verändert die tatsächliche Aussagekraft der Kennwerte, denn der Anteil schlechter Teile hat einen signifikanten Einfluss.

Dieser Sachverhalt läßt sich am einfachsten an einem Beispiel erläutern.

Annahmen

Prüfverfahren mit 80% Sensitivität und 98% Spezifität, Anlieferung von 1 Mio Teile

  • Fall A: Stichprobe 10.000 Teile, angenommene Fehlerquote 5 St. von 10.000 = 0,05%
  • Fall B: Stichprobe 10.000 Teile, angenommene Fehlerquote 1000 St. von 10.000 = 10%

Die Ergebnisse Fall A:

  • Richtig positiv: 4 Stück (schlecht als schlecht erkannt)
  • Falsch negativ: 1 Stück (schlecht als gut erkannt)
  • Falsch positiv: 200 Stück (gut als schlecht erkannt)
  • Richtig negativ: 9795 Stück (gut als gut erkannt)
  • -> 1 von 9.796 Teilen wird falsch bewertet und gelangt als schlechtes Teil in die Fertigung. Irrtumswahrscheinlichkeit 0,01%

Die Ergebnisse Fall B:

  • Richtig positiv: 800 Stück (schlecht als schlecht erkannt)
  • Falsch negativ: 200 Stück (schlecht als gut erkannt)
  • Falsch positiv: 180 Stück (gut als schlecht erkannt)
  • Richtig negativ: 8820 Stück (gut als gut erkannt)
  • -> 200 von 9.020 Teilen werden falsch bewertet und gelangen als schlechte Teile in die Fertigung. Irrtumswahrscheinlichkeit 2,22%

Die Beachtung dieses Sachverhalts ist insbesondere für die Nachprüfung reklamierter Chargen wichtig zu beachten. Diese haben in der Regel einen erhöhten Anteil fehlerhafter Teile. Die Gefahr, dass fehlerhafte Teile in die Fertigung gelangen, ist größer. Es ist deshalb sinnvoll, ein modifiziertes Prüfverfahren zu nutzen, bei dem z.B. 2-stufig geprüft wird oder Prüfverfahren kombiniert werden.

Kostenbetrachtung und AQL-Level

Was häufig bei der gesamten Gut-Schlecht-Teil-Diskussion übersehen wird, ist der Kostenaspekt. Dabei sind die Prüfkosten oft nur der kleinere Anteil. Schlechtteilkosten und vor allem Folgekosten „Cost of poor Quality“ sind oft deutlich höher und sollten vor einer Entscheidung berechnet bzw. zumindest abgeschätzt werden.

Schulungen zu Messsystemanalyse und statistischer Prozesskontrolle SPC

Hier sind die Links zu unseren Schulungen der Messsystemanalyse und in der statistischen Prozesskontrolle SPC . Natürlich bieten wir diese Schulungen auch als MSA und SPC inhouse-Training individuell an Ihre Messaufgaben und Prozesse angepasst an. Wir freuen uns auf Sie!

Beratung im Qualitätsmanagement – Unterstützung bei Qualitätsproblemen

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