Anforderungsmanagement


Was ist Anforderungsmanagement?

Anforderungsmanagement oder Requirements Engineering (RE) ist eine elementare Aufgabe innerhalb der (Software-) Produktentwicklung um Anforderungen an komplexe Produkte oder Prozesse vollständig unter Berücksichtigung aller Stakeholder zu erfassen und konsistenz und priorisiert in ein Lastenheft zu überführen.

Was erfahren Sie in diesem Beitrag? – Inhalte

Hintergrund Anforderungsmanagement in der Produktentwicklung

Ursprünglich stammt der Begriff des Anforderungsmanagement (Rquirements Engineering) aus dem IT- und Software-Bereich. Vor diesem Hintergrund sollte man berücksichtigen, dass in diesen Bereichen die Arbeits- und Vorgehensweise, die Art der Produkte und die Realisierungs- und Umsetzungsgeschwindigkeiten und auch Änderungsmöglichkeiten sich deutlich unterscheiden gegenüber einer klassischen Entwicklung eines physischen „materiebehafteten“ Produkts.

Dennoch: Die Ziele des Anforderungsmanagement in der IT und vor allem die Vorgehensweise (mit ein paar wenigen Anpassungen) kann auf jegliche Art von Produktentwicklung angewendet werden. Agile Methoden wie z.B. Scrum , die ebenfalls im IT-Umfeld entstanden sind, haben inzwischen auch in der klassischen Produktentwicklung ihren Platz gefunden.

Der Fokus in der folgenden Darstellung liegt daher nicht auf IT-Produkten und Software-Entwicklung, sondern auf typischen physischen Produkten und Prozessen.

Was sind Ziele der Anforderungsanalyse im agilen Anforderungsmanagement?

Aufgabe des Anforderungsmanagement ist es, ein einheitliches, gemeinsames Verständnis über ein zu entwickelndes Produkt oder System zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer bereits vor dem Beginn einer Produktentwicklung herzustellen und während der Produktentwicklungsprozesses zu aktualisieren bzw. aufrecht zu erhalten. In diesem Zusammenhang wird zunehmend nicht nur von Anforderungsmanagement, sondern von „Agilem Anforderungsmanagement“ gesprochen, weil betont werden soll, dass die Anforderungen nicht statisch sind, sondern während der Produktentwicklung aktualisiert und verfeinert werden.

Diese Ziele und auch Notwendigkeit der Aktualisierung ist an sich nichts Neues und identisch für IT und physische Produkte.

Was ist konkretes Ziel der Anforderungsanalyse? 

Konkretes Ziel der Anforderungsanalyse ist es, die relevanten Stakeholder („interne und externe Kunden“) eines Projekts zu identifzieren und im zweiten Schritt für dieses Projekt diese Anforderungen

  • zu sammeln
  • zu konkretisieren und nachvollziehbar zu definieren
  • zu strukturieren
  • zu gewichten
  • zu prüfen.

Als Ergebnis der Anforderungsanalyse entsteht ein belastbares, vollständiges Lastenheft.

Anforderungsmanagement – Dokumente

Für eine erfolgreiche Produktentwicklung sollten bereits zu Beginn einer Produktentwicklung alle relevanten, wichtigen Dokumente vorliegen bzw. definiert sein wie z.B.

  • Bedarfs-/ Marktanalyse
  • Geschäftsmodell
  • Stakeholderanalyse
  • Lastenheft
  • Pflichtenheft
  • Zeitplan
  • Ressourcenplan
  • Erfolgs- und Abbruchkriterien

Anforderungsanalyse – Bewertung der Anforderungen ist wichtig!

Die Anforderungen aller Stakeholder einzusammeln ist nur ein erster Schritt. Bevor die Anforderungen  im Lastenheft dokumentiert werden, sollte zum einen eine kritische Betrachtung der Inhalte und Qualität der o.g. Dokumente bezüglich

  • Verständlichkeit
  • Eindeutigkeit
  • Vollständigkeit
  • Widerspruchsfreiheit
  • Überprüfbarkeit
  • Verantwortlichkeit

erfolgen. Zum zweiten sollte eine Gewichtung und Priorisierung der Anforderungen erfolgen, denn nicht alle Anforderungen sind gleich wichtig und einige Anforderungen werden sich u.U. widersprechen. In vielen Fällen hilft es weiter, wenn eine Begründung mit eindeutiger Definition der Anforderung verfügbar ist.

Diese Bewertung der Anforderungen ist ein wesentlicher Punkte innerhalb der Anforderungsanalyse. Die gesammelten Anforderung sollten geprüft, priorisiert und gewichtet sein, weil sie in Form des Lastenhefts letztlich die Rechts- und Vertragsgrundlage für die folgenden Schritte darstellen.

Quellen für Anforderungen

Prinzipiell lassen sich 3 Quellen für Anforderungen als Basis einer Produktentwicklung benennen:

  • Stakeholder
  • Dokumente
  • existierende Produkte, Prozesse bzw. Systeme

Methoden zur Anforderungsanalyse / Anforderungsmangement Tools

Häufig genutzte Methoden im Anforderungsmanagement und zur Anforderungsanalyse sind u.a.:

 Wer ist der Kunde?- Wer ist der Entscheider?

Viele der oben genannten Methoden stellen den „den Kunden“ und seine Aussagen (Voice of the Customer VOC) in den Mittelpunkt der Betrachtung. In diesem Zusammenhang gilt es, einige damit verbundene Fragen ebenfalls zu beantworten wie z.B.

  • Wer ist im Entscheidungsprozess, der zu einem späteren Kauf führt, beteiligt?
  • Wer in diesem Entscheidungsprozess ist relevant?
  • Wer ist der Nutzer?
  • Wer ist Meinungsmacher?
  • Wer ist Entscheider?
  • Über welche Inhalte entscheidet der Entscheider?
  • Wer ist der „tatsächliche“ Kunde?

Häufig wird man feststellen, dass es in einem Entscheidungs- oder Verkaufsprozess mehrere Entscheider gibt. Diese stehen hierarchisch oder zeitlich zu einander in Beziehung stehen und es bestehen Abhängigkeiten oder Restriktionen bestehehen. Vielfach werden auch die Entscheidungskriterien verschieden sein.

So wird z.B. ein Kunde eines Handelsunternehmens selbst das funktional beste, zuverlässigste Produkt im Markt bei diesem Unternehmen nicht oder selte kaufen können, wenn es nicht eine ausreichende Handelsspanne bietet (abgesehen von Quersubventionen).

Missverständnisse – Kundenbegriff

Im Gespräch mit dem Vertrieb oder dem Produktmanagement wird häufig von „dem Kunden“ gesprochen. Dies ist merist ein Sammelbegriff, unter dem alle Anforderungen aller Einzelkunden zusammengefasst sind. Ebenso interpretationsfähig ist der Kundenbegriff bei Teamdiskussionen. Vielfach wird stillschweigend davon ausgegangen, dass im Team der Begriff des „Kunden“ einheitlich sei. Dies ist leider selten der Fall.

Der Begriff des Kunden setzt immer voraus, dass es bereits ein Produkt und einen Markt gibt – anderenfalls ist z.B. eine Kundenbefragung nicht möglich. Häufig wird die Entwicklungsaufgabe die Weiterentwicklung eines bestehenden Produkts betreffen – dann sind alle kundenbezogenen Methoden hilfreich.

Was tun, wenn es noch kein Vorgängerprodukt und keinen Markt gibt?

Insbesondere in den Fällen, in denen es noch kein Produkt gibt, z.B. häufig im Fall von Erfindungen oder disruptiven Innovationen (Durchbruchsinnovationen), gibt es keinen klassischen Markt d.h. auswertbare Käufe und Verkäufe von Produkten oder Dienstleistungen. Es gibt deshalb keine (kaufenden) Kunden, sondern im besten Falle Interessenten und Visionäre.

Wie erhält man in solchen Fällen die relevanten Anforderungen für das Lastenheft?

Wir empfehlen hier, eine Bedürfnisanalyse u.a. mit einer Beobachtung und Befragung potentieller Zielgruppen durchzuführen. Die Erfahrung zeigt, dass die Zielgruppe in der Regel eine mehr oder minder gute Lösung zur Bedürfnisbefriedigung bereits nutzt. Diese ist oft eine Individuallösung und wird nicht als kommerzielles Produkt angeboten.

User Experience vs. Business Experience

Implizit klingt bei dem Begriff des Anforderungsmanagements immer mit, dass z.B. im Zuge einer Kundenbefragung der befragte Kunde seine Anforderungen an ein Produkt klar, eindeutig und vollständig formulieren kann. Dies ist leider nicht so.

Aktiv vom Kunden werden häufig nur die Leistungsmerkmale genannt. Basisanforderungen oder gar „Delighters“ werden selten bzw. gar nicht erwähnt. Hier hilft zum Verständnis ein Blick in das KANO-Modell weiter.

im Fall von Erfindungen oder Durchbruchsinnovationen, gibt es keinen klassischen Markt und damit keine (kaufenden) Kunden. Wie erhält man in solchen Fällen die relevanten Anforderungen für eine Produktentwicklung?

Wir empfehlen hier, eine Bedürfnisanalyse u.a. mit einer Beobachtung und Befragung potentieller Zielgruppen durchzuführen.

Im Fall von Consumer-Produkten hilft die etablierte Kundenbeobachtung wie sie  z.B. im Zuge einer user survey oder customer survey durchgeführt wird. Im Fall von B2B-Produkten oder Dienstleistungen ist die user survey oft nur ein Baustein der Analyse. Hier helfen die Vorgehensweisen von der Geschäftsmodellanalyse und  Stakeholder-Analyse weiter.

Funktionale Anforderungen vs. nichtfunktionale Anforderungen

Funktionale Anforderungen beschreiben die geforderten Funktionen – Was das Produkt tun oder wie es sich verhalten soll. Aus QFD-Sicht bzw. im KANO-Modell werden diese Funktionen Basisforderungen genannt.

Wie oft, wie schnell, wie zuverlässig das Produkt diese Funktion(en) erfüllen soll, wird durch die nichtfunktionalen Anforderungen beschrieben.  Dies sind Anforderungen, an häufig Aspekte der Qualität, der Zuverlässigkeit, des Komforts oder auch der Individualisierbarkeit beschreiben. Aus QFD-Sicht bzw. im KANO-Modell werden diese Funktionen meist als Leistungsanforderungen und Delighters bezeichnet.

Anforderungsmanagement – Warum (nicht nur) IT -Projekte scheitern

Im Heise Magazin ist ein Artikel von B.Witte erschienen auf Basis der Studie „Chaos-Report der Standish Group“ mit einer Aufzählung von 10 Gründen, warum IT-Projekte scheitern.

Wenn man sich die im Artikel genannten Gründen anschaut, warum IT-Projekte scheitern, so hat dies viel Ähnlichkeit mit den Erfahrungen der Projektleiter und Produktentwicklern von  physischen Produkten … Und auch die Massnahmen zur Rettung von kritischen Projekten sind ähnlich.

Durch eine geschickte Auswahl geeigneter Entwicklungs- und Qualitätsmethoden und ein gut organisiertes Projektmanagement lassen sich viele der genannten Ursachen ausschließen. Fragen Sie uns. Hier ist Ihr Kontakt zu uns.

Anforderungsmanagement Software

Eine Anforderungsmanagement-Software (Requirements-Engineering-Software) ist letztlich eine Datenbank, die die Strukturierung, Versionierung, Rückverfolgbarkeit und übrige Verwaltung von Anforderungen erheblich erleichtert im Vergleich zu Textdokumenten oder Tabellen. Es gibt zahlreiche kostenfreie und kostenpflichtige Anbieter am Markt.

Hier eine kleine Auswahl (ohne Bewertung):

Anforderungsmanagement Schulung Ausbildung Requirements Engineering

Ein „Requirements Engineer“ ist in der Praxis keine Berufsbezeichnung, sondern eine Rolle im Projekt. Nichtsdestotrotz ist es sinnvoll, sich vorab das erforderliche Wissen und Rüstzeug anzueignen z.B. in Seminaren von uns und unseren Kooperationspartnern. Die Schulungsinhalte entsprechen selbstverständlich den Anforderungen des Lehrplan für  Certified Professional for Requirements Engineering (CPRE) des International Requirements Engineering Board IREB.

Folgende Ausbildungen bieten wir an:

  • IREB-CPRE Foundation Level (3 Tage, RE-Grundlagen)
  • Advanced Level (3 Module)
    • Elicitation & Consolidation (3 Tag)
    • Requirements Modeling (1 Tag)
    • Requirements Management (1 Tag)

Sie möchten eine Ausbildung im Requirement Engineering machen? Fragen Sie an! Hier ist Ihr Kontakt zu uns.

Sie haben unvollständige Lasten- und Pflichtenhefte?

Beratung Anforderungsmanagement und QFD

Wir unterstützen Sie in der Produktentwicklung bei der Erstellung von Lastenheft und Pflichtenheften. Wir helfen Ihnen, Ihre Produkte fertigungsgerecht zu gestalten und die Entwicklungsprojekte termingerecht und innerhalb des Budgets mit uneingeschränkter Qualität und Funktion zu realisieren.

Wir freuen uns auf Ihre Anfrage. Hier ist Ihr Kontakt zu uns.


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