attributive Prüfung – Verfahren 7


Was ist eine attributive Prüfung?

Eine attributive Prüfung ist z.B. ein Sichtprüfverfahren ohne die Anwendung von Messmitteln, eine Klangprüfung mit dem Ohr oder ein taktiles Prüfen der Flexibilität oder Weichheit eines Textils mit dem Finger. Diese Art von Prüfungen und damit die Prüfergebnisse sind natürlich sehr leicht beeinflussbar,  unterliegen subjektiven Einflüssen und/ oder der Tagesform des Prüfers.

Eine attributive Prüfung wird dann genutzt, wenn sich qualitätsrelevante Merkmale nicht oder nur mit zu hohem Aufwand sinnvoll oder wirtschaftlich messen lassen. Das Gegenteil zur attributiven oder qualitativen Prüfung, in der nicht messbare, qualitative Daten oder Merkmale überprüft werden, stellt die quantitative Prüfung messbarer, stetige Daten oder Qualitätsmerkmale dar.

Was erfahren Sie in diesem Beitrag? – Inhalte

Ziele des Verfahrens 7 „attributiven Prüfung“ – Prüffähigkeitsnachweis

Ebenso wie die Messsystemanalyse (MSA) messbarer Merkmale (Verfahren 1 und Verfahren 2)  dient der attributive Eignungsnachweis  dazu, die Messsystemfähigkeit einer attributiven Prüfung zu beurteilen. Nur wenn bekannt ist, in welchem Umfang die Subjektivität des Prüfers und die damit verbundene Streuung das Prüfergebnis beeinflusst, kann eine gesicherte Qualitätsbeurteilung erfolgen, eine VerwendungseEntscheidung getroffen werden und ggfs. auf dieser Basis eine Prozesseingriff und Parameteranpassung begründet sein.

Norm zur Messsystemanalyse (MSA) Verfahren 7 – attributive Prüfung

Die Vorgehensweise zur Entscheidung, ob ein Prüfverfahren prozessfähig ist, ist in der Norm ISO 22514-7 (Capability of measurement processes) oder im VDA Band 5 zur Messsystemanalyse (MSA) beschrieben. Die attributive Prüfung wird hier als Verfahren 7 bezeichnet.

Attributive Prüfungen sind vergleichende Prüfungen, bei denen das Merkmal in der Regel unterschiedliche, abgestufte Ausprägungen in nicht (oder zumindest schwierig) messbarer Form annehmen kann.

typische Beispiele für attributive Merkmale

  • Farbe
  • Glanz
  • Kontrast
  • Ebenheit
  • Rauhigkeit
  • Sauberkeit
  • Klang
  • Geruch
  • Geschmack

Diese Merkmale treten in der Praxis in der Regel graduell abgestuft auf, deshalb stellt sich immer wieder die Frage: „Was ist noch gut?“ bzw. „Was ist schon schlecht?“

Grenzmuster

Vor dem oben beschriebenen Hintergrund, wird man in der Praxis deshalb häufig mit Vergleichsmustern „Grenzmustern“ arbeiten, die es dem Prüfer erleichtern die „richtige“ Prüfentscheidung zu treffen.

  • Gut-Grenzmuster = gerade noch gut
  • Schlecht-Grenzmuster = gerade schon schlecht

Grenzmuster sollten eindeutig gekennzeichnet sein und müssen natürlich im Prüfmittelmanagement erfasst und regelmäßig überprüft werden.

Eine Prüfung diskreter Merkmale mit nur 2 möglichen, eindeutigen Ausprägungen wird nicht als attributive Prüfung verstanden.

MSA Verfahren 7 – Beurteilungskriterium Kappa

Durch Zufall könnte ein Prüfer eine vollständige Übereinstimmung mit der Referenz erreichen, selbst wenn er die Teile nicht anschaut, sondern nur willkürlich „gut“ oder „schlecht“ ankreuzt. Dies ist zwar  unwahrscheinlich, aber aus statistischer Sicht nicht unmöglich. Als Beurteilungsgröße dient deshalb der Kennwert Kappa – als Cohen-Kappa oder Fleiss-Kappa berechnet.

Kappa beurteilt das Verhältnis der Anzahl an richtigen Bewertungen zur Gesamtzahl der geprüften Referenzteile unter Berücksichtigung zufälliger Übereinstimmung.

  • Kappa κ=1 bedeutet 100% Übereinstimmung
  • Kappa κ=0 bedeutet, dass die berechnete Übereinstimmung der zufälligen Übereinstimmung entspricht.
  • Für attributive Prüfungen mit Prüfereinfluss sollte  Kappa κ>0.9 sein.
  • Attributive Prüfungen mit Kappa κ<0.7 gelten als „nicht fähig“.

Cohen – Kappa bzw. Fleiss – Kappa

Wird gem. AIAG mit Cohen – Kappa gearbeitet, ist nur der Vergleich von 2 Prüfern bzw. 2 Messreihen miteinander möglich. Die Alternative  Fleiss-Kappa erlaubt, mehr als zwei Prüfer oder mehrere Datenreihen miteinander zu vergleichen.

Um die Konsistenz eines Prüfers mit sich selbst zu prüfen, sind mindestens 2 Datenreihen erforderlich. Zum Vergleich von 2 Prüfer, ist mindestens 1 Datenreihe pro Prüfer nötig.

Weil man bei Verfahren 7 erfahren möchte, ob und inwieweit die Prüfer „richtig“ entscheiden, ist das Vorhandensein von „richtigen“  Standard- / Referenzwerte zwingend.

Beratung und operative Unterstützung bei attributiven Prüfung, Messsystemanalyse MSA

Ihre Qualität schwankt? Ihre Kunden reklamieren? Vielleicht sind Ihre Prüf- und Messprozesse instabil. Wir können helfen. Hier ist Ihr Kontakt zu uns.

Prüfanweisung

Generell gilt für alle Prüfungen und auch die MSA, dass eine umfassende Prüfanweisung vorliegen muss, nach der die Prüfer prüfen. Je detaillierter und genauer die Prüfanweisung ist, desto geringer wird der persönliche / subjektive Einfluss des Prüfers.

Hilfs- / Prüfmittel in der attributiven Prüfung – Grenzmuster

Klassische Messmittel oder Messsysteme wie in der Überwachung messbarer Merkmale gibt es in der Regel nicht bei der attributiven Prüfung. Ein bewährtes Hilfsmittel sind Grenzmuster – zum einen als „noch gut Muster“ und ebenso als „schon schlecht Muster“. Grenzmuster – idealerweise als reale Objekte und nicht nur als Bilder – sind besonders hilfreich, weil eine sichere Beurteilung jedem Menschen / Prüfer leichter fällt, wenn die Möglichkeit eines direkten Vergleichs und des „Begreifens“ besteht – auch wenn dies die Eigenschaften der Grenzmuster verändern kann.

Für die Praxis ist es günstig, wenn dem Prüfer mehrere Vergleichsmuster in abgestufter Qualität vorliegen:

  • sehr schlecht
  • schlecht
  • gerade noch schlecht (Schlecht-Grenzmuster)
  • gerade noch gut (Gut-Grenzmuster)
  • gut
  • sehr gut

Dadurch kann der Prüfer im Zweifelsfall direkt vergleichen. Die Qualität der Prüfergebnisse = der Anteil „richtiger“ Entscheidungen nimmt zu. Wichtig für die Praxis ist auch, die Qualität bzw. die möglichen Merkmalsveränderungen der (Grenz-)muster zu berücksichtigen. Gealterte, defekte Muster sind unbrauchbar!

Stichprobennahme in der attributiven Prüfung

Sofern keine 100% Prüfung erfolgt, hat wie bei allen anderen Prüfverfahren auch Anzahl und Vorgehensweise bei der Auswahl der Stichprobe  mitunter gr0ßen Einfluss auf das Prüfergebnis. Dies sollte z.B. bei einer Wareneingangskontrolle  berücksichtigt werden.

Beispiele für attributive Prüfungen

Typische Beispiele für attributive Daten sind z.B. Farben oder der Glanzgrad von Objekten. Weitere Beispiele sind auch der nicht messbarer Verzug von (flexiblen) Gummidichtungen, die Bewertung der Maserung einer Holzoberfläche oder auch Rauhigkeiten oder Welligkeiten, die erst in der Gegenlichtreflektion erkennbar werden.  Eine Geräuschprüfung „Knarzen“ von Automobilbaugruppen oder der Klang von Objekten z.B. bei der Prüfung von Gläsern, Fliesen und anderen Keramikartikeln sind weitere Beispiele.

Schulung zu Messsystemanalyse und attributiven Prüfung

Qualitätskosten und attributive Prüfungen

Wenn das Prüfmerkmal, die Prüfbedingungen und Prüfvorgehen nicht eindeutig und nachvollziehbar beschrieben sind, können attributive Prüfungen die Ursache für hohe, schwankende Ausschusszahlen und damit verbunden hohe Qualittäskosten sein. Dies wird dadurch bedingt, dass im Falle eines Fehlens der o.a. Inhalte jede Prüfung sehr stark subjektiv von der Bewertung des jeweiligen Prüfers erfolgt.

Prüfanweisungen in der attributiven Prüfung

Detaillierte Prüfanweisungen mit exakt spezifizierten Prüfbedingungen sind für die attributive Prüfung unabdingbar. Der individuelle Einfluss eines Prüfers auf Ausschußzahlen und Qualitätskosten kann sehr groß sein, denn jeder Prüfer wird – falls eine Prüfanweisung fehlt – nach bestem Wissen und Gewissen individuell entscheiden.  Trotz unveränderter Prozesse entstehen dadurch prüferabhängige, stark schwankende Reklamations- und Ausschusszahlen – Ein Zustand, der unbedingt im Qualitätsmanagement vermieden werden sollte.

Mitarbeiterschulung in der attributiven Prüfung

Umfangreiche und wiederholte Mitarbeiterschulungen sind unabdingbar, wenn qualitative Merkmale mittels attributiver Prüfung geprüft werden. Grundlage der Mitarbeiterschulungen sollten zum einen die Prüfanweisungen sein. Zum anderen empfehlen wir die Schulung an realen Prüfobjekten und Gut- und Schlechtmustern durchzuführen.

Die Überprüfung der Schulungswirkung sollte über Eignungsnachweise erfolgen. Für die Planung der Schulungen hat sich ein entsprechender Schulungskalender und sowie die Qualifikationsmatrix bewährt.

Auch hier nochmals der Hinweis: Bitte beachten Sie unbedingt die Qualität bzw. mögliche Veränderungen der Muster. Gealterte, defekte Muster sind unbrauchbar!

Eignungsnachweis und Prozessfähigkeit in der attributiven Prüfung

Auch in Prozessen, in denen „nur“ attributive Merkmale geprüft werden können, ist eine Untersuchung (und ein Bestehen) der Prozessfähigkeit sinnvoll und erforderlich. Diese kann analog dem Vorgehen der Prozessfähigkeit von Prozessen mit messbaren Merkmalen erfolgen. In der Messsystem-Analyse MSA existieren Vorschriften bzgl. des Eignungsnachweises des Prüfverfahren auch für attributive Daten und  Merkmale (vgl. MSA Verfahren 7).

attributive Prüfung und Lieferantenmanagement

Eine potentieller – und viel zu oft ein sehr realer – Streitpunkt im Lieferantenmanagement ist neben der Liefertreue die (unzureichende) Lieferqualität. In vielen Fällen läßt sich dieser Konflikt zwischen reklamierendem Kunden und Lieferant auf nicht ausreichend spezifizierte und detaillierte Prüfanweisungen zurückführen. Dies trifft insbesondere auf attributive Prüfung zu. Dass fehlende oder ungenaue Prüfanweisungen und abweichendes Vorgehen der Prüfer betriebsintern durchaus zu 30 bis 40% (!) Ausschuss führen kann, haben wir inzwischen häufig erlebt. Zwischen Unternehmen können solche unterschiedlichen Merkmalsbeurteilungen zwischen Lieferanten und Kunde zur Annahmeverweigerung ganzer Lieferungen mit entsprechenden rechtlichen Konsequenzen führen.

Reklamationen und fehlende Prozessfähigkeit – Was tun?

Sie sind immer wieder mit Reklamationen von Ihren Kunden konfrontiert, weil Vorgaben für attributive Merkmale nicht eingehalten werden? Sie betreiben Prozessoptimierung, aber die Rückweisequote ändert sich nicht? Sie gehören hoffentlich nicht zur diesen Fällen. Wenn doch, dann fragen Sie uns bitte an. Wir können Ihnen helfen. Hier ist der Kontakt zu uns.

Schulung zu Messsystemanalyse und SPC

Hier sind die Links zu unseren Schulungen der Messsystemanalyse und in der statistischen Prozesskontrolle SPC . Natürlich bieten wir diese Schulungen auch als MSA und SPC inhouse-Training individuell an Ihre Messaufgaben und Prozesse angepasst an.

inhouse-Schulung attributive Prüfung training-on-the-job

Gern führen wir für Sie eine inhouse-Schulung „attributive Prüfung“  als training-on-the-job mit Ihren unternehmenseigenen Themen durch.  Hier ist Ihr Kontakt zu uns.  Wir freuen uns auf Sie!

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