Toleranzanalyse um die Fertigungs- und Montagefähigkeit sicher zu stellen
Eine Toleranzanalyse kann helfen, Fertigungs- und Montageprobleme zu vermeiden. Vielfach lassen sich Bauteile nicht fertigen oder Baugruppen nicht montieren, weil vorab eine Toleranzrechnung nicht durchgeführt, Toleranzen nicht spezifiziert, konstruktionsseitig Toleranzketten nicht betrachtet wurden oder vorhandene Toleranzvorgaben nicht eingehalten werden.
Was erfahren Sie in diesem Beitrag? Inhalte
Treten Probleme als Folge nicht definierter Toleranz(ketten) auf, helfen die klassischen Problemlösungsmethoden und Problemlösungstechniken an dieser Stelle nicht weiter. Was in der Praxis nötig ist, ist ein pragmatischer Lösungsansatz.
Hintergrund Toleranzanalyse und Toleranzkettenberechnung
Selten wird ein Bauteil in der Praxis Soll-Maß haben. Eine Toleranzanalyse durchzuführen, praxistaugliche Toleranzen festzulegen sowie die Betrachtung der Toleranzketten sollte daher Routine im Produktentwicklungsprozess und in der Konstruktion sein um die Fertigungs- und Montagefähigkeit zu sichern.
Einzelteiltoleranzen summieren sich in der Baugruppe. Es gibt verschiedene Verfahren um die Einzeltoleranzen innerhalb einer Baugruppe und die resultierende Schließmaßtoleranz zu berechnen. Dabei wird der Konstrukteur fast immer Annahmen treffen müssen, die später in der Praxis überprüft und statistisch ausgewertet werden sollten (!)
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arithmetischen Toleranzberechnung (Worst Case Methode)
Bei einer Toleranzanalyse auf Basis arithmetischer Toleranzwerte geht man vom schlechtesten, ungünstigsten Fall (worst case) aus. Man nimmt an, dass die Maße jeden Bauteils in der Maßkette die jeweils ungünstigste Nennmaßabweichung aufweisen. Berechnet werden die Grenzwerte Mindest- und Höchstschließmaß.
Eine große Anzahl von Maßkettengliedern erweist sich bei der arithmetischen Toleranzanalyse als nachteilig und ergibt für die Praxis unrealistische Schließmaße. Bessere Ergebnisse liefert die etwas aufwendigere, statistische Toleranzanalyse, die die worst case Betrachtung als Grundlage benötigt.
statistische Toleranzanalyse
Die statistische Toleranzberechnung berücksichtigt die Streuung und Häufigkeitsverteilungen der Istmaße bei der Berechnung. Dass in der Praxis innerhalb einer Baugruppe wie bei der arithmethischen Toleranzrechnung angenommen nur Bauteile mit den jeweiligen Maximal-Toleranzen (bzw. Minimal-Toleranzen) verbaut werden, ist eher unwahrscheinlich. Daher ist die statische Toleranzrechnung praxisnäher, weil sich erfahrungsgemäß Toleranzen (bis zu einem gewissen Grad) ausgleichen. Die berechnete statistische Schließmaßtoleranz wird deshalb kleiner sein als die arithmetische Schließmaßtoleranz.
allgemeine statistische Toleranzanalyse und quadratischem Toleranzrechnung (RMS)
Das älteste Verfahren zur statistischen Toleranzberechnung ist das quadratische Berechnungsmodell (Root Mean Square = RMS; Root Sum Square = RSS). Er basiert auf den statistischen Grundlagen des Fehlerfortpflanzungsgesetz und dem zentralen Statistik-Grenzwertsatz und nutzt als Verteilungsmodell der Einzeltoleranzen eine zentrierte Gauss-Verteilung.
Das quadratische Rechenmodell ist ein Sonderfall der allgemeinen statistischen Toleranzrechnung ohne Berücksichtigung von Varianzen. Bei der allgemeinen statistische Toleranzberechnung wird aus den Varianzen die Gesamtstandardabweichung berechnet.
Die statistische Schließmaßtoleranz errechnet analog zum Vorgehen bei Six Sigma daraus für einen vorgewählte Vertrauensbereich (1Sigma, 2sigma … 3sigma = 99,73%)
Monte-Carlo-Simulation in der Toleranzanalyse
Vielfach wird die klassische Toleranzanalyse durch eine Monte-Carlo-Simulation ergänzt oder sogar ersetzt. Dazu erfolgt mit Hilfe von leistungsstarken Rechnern eine Simulationen zufälliger Kombinationen von einer sehr großen Anzahl verschiedenen Bauteil- und damit Maßkombinationen, für die die jeweiligen Schließmaße berechnet werden. Aus den Einzelergebnissen wird ein Histogramm erstellt und statistisch ausgewertet.
Man kann das Vorgehen vergleichen mit dem Ziehen der Lotto-Zahlen „6 aus 49“ ohne Zurücklegen und ziehen bis alle Zahlen gezogen wurden d.h. 8 Kombinationen a 6 Zahlen , Rest 1.
Allerdings sind die Grundmenge nicht nur 49 Bauteile, sondern weit mehr i.d.R. >> 1000 um statistisch belastbare Ergebnisse zu erreichen. Es wird gezogen bis alle Teile verbaut (sprich in der Simulation verwendet) sind.
Voraussetzungen für realistische Toleranzen in der Praxis
Die oben beschriebenen Toleranzrechnungen setzen i.d.R. normalverteilte Grundgesamtheiten voraus. Dies ist jedoch in der Praxis häufig nicht der Fall z.B. weil es für den Lieferanten Kostennachteile hat. Sparsame Lieferanten, die Ihre Prozesse beherrschen, werden sich deshalb bemühen, stabil an der „billigeren“ Toleranzgrenze zu liefern.
Deshalb ist es wichtig, die realen Werte der Toleranzen und ihre statistische Verteilung zu kennen. Voraussetzung dafür sind taugliche Messsysteme (vgl. Messsystemanalyse MSA) und es muss eine ausreichend große Datenbasis von Teilen vermessen werden. Ein in der Praxis oft anzutreffendes Problem ist, dass
- die Messpunkte nicht spezifiziert oder nicht zugänglich sind
- das Messverfahren nicht ausreichend stabil ist und keine reproduzierbaren Ergebnisse liefert
- die Messverfahren zwischen Kunde und Lieferant nicht harmonisiert / abgestimmt sind.
Schulung zu Messsystemanalyse MSA und attributive Prüfung
Fertigungsgerechte Toleranzfestlegung
Eine fertigungsgerechte Toleranzfestlegung erfolgt leider in der Praxis viel zu selten – oft, weil zum Zeitpunkt der Konstruktion der spätere Lieferant und der Fertigungsprozess noch gar nicht ausgewählt sind. Trotzdem lohnt die Betrachtung, welche Toleranzbreiten auf der Maschine bzw. im Prozess möglich sind – und was sie kosten!
Toleranzprobleme in der Montage und Fertigung
Vielfach beobachten wir, dass in der Fertigung oder Montage Probleme auftreten, weil Teile immer wieder „nicht passen“. Ein pragmatischer Lösungsansatz ist hier, einige Teile an Hand ihrer spezifizierten Merkmale zu vermessen um reale Messdaten zu erhalten und mit der Toleranzrechnung des Konstrukteurs zu vergleichen. Häufig genügen schon 3 oder 5 Teile als Anhaltswerte.
Was häufig bei der Festlegung von Toleranzen nicht beachtet wird:
Der clevere Lieferant legt sich auf die „billigere Seite“ der Toleranz!
Toleranzkettenrechnung – „Mitte“ oder „billigere Seite“
Üblicherweise werden Soll-Maße vom Konstrukteur auf die „Mitte“ des Toleranzbereichs gelegt. D.h. mit Blick auf die Prozessfähigkeitskennzahlen Cp = Cpk.
Eine Tatsache, die in der Praxis selten beachtet wird, ist dass ein kostensensitiver Lieferant sich prozesssicher auf die „billigere Seite der Toleranz“ legen wird. Damit stimmt die gesamte statistische Toleranzketten-Rechnung nicht mehr.
Im Wareneingang bei der Wareneingangskontrolle wird dies oft nicht erkannt. Dies ist ein typisches Thema für das Lieferantenmanagement.
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